Freitag, Dezember 13, 2024
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Fahrbericht Jeep Grand Cherokee Overland: Viel dran und drin

Was verbindet einen amerikanischen Geländewagen-Hersteller mit Papiertaschentüchern und Klebeband? Na klar: Jeep, Tempo und Tesa sind als Markenartikel Synonym für eine ganze Produktgattung. Selbst Land-Rover-Fahrer müssen zuweilen ertragen, von ihren neuen Nachbarn am Gartenzaun die Frage gestellt zu bekommen: „Und, wie fährt Ihr Jeep sich so?“ Der Grand Cherokee ist das Juwel im eingedampften Modellprogramm der Marke, das letzte Facelift sollte die Kontur schärfen und das Ausstattungsniveau noch mal verbessern. Nach der Zeit der Dürre im Indianer-Reservat steht der Grand Cherokee von Jeep wieder kraftstrotzend da: Allein in Deutschland wurden bis Ende 2013 rund 60 Prozent mehr Exemplare des Luxus-SUV verkauft als im Jahr zuvor.

Mit weltweit rund fünf Millionen verkauften Exemplaren seit der Markteinführung 1992 gehört der Grand Cherokee zu den erfolgreichsten Geländewagen überhaupt. Die Modellpflege fiel umfangreich aus, sichtbar vor allem an der markanteren Frontpartie, wo das Tagfahrlicht nun mit LED-Leuchten und als nach innen geöffnete Klammer ausgeführt ist. Die Hauptscheinwerfer in Bi-Xenon-Technologie und die verchromten Lüftungsschlitze sehen ebenso edel wie robust aus. Die Leichtmetallfelgen in den Jeep-typisch eckig ausgeformten Radkästen sind in der Basisversion 18 Zoll groß, die gefahrene Overland-Version wartet mit 20-Zöllern auf.

Da sich die Nachfragesituation beim Grand Cherokee in Deutschland weiter noch als in den Vorjahren in Richtung Dieselantrieb verlagert hat, wurde für diesen Praxistest der drei Liter großer Selbstzünder ausgewählt, der in seiner kräftigeren Version 184 kW / 250 PS leistet. Das Aggregat stammt von der Fiat-Tochter VM-Motori und klingt auch nach längerer Betriebsdauer leider nicht so kultiviert und laufruhig wie vergleichbare Motoren aus einheimischer Produktion. Dennoch steckt noch viel deutsche Technologie im Grand Cherokee, spendete doch in der Zeit der Daimler-Chrysler-Fusion die Stuttgarter M-Klasse die Bodengruppe des Ober-Indianers.

Die wuchtige Karosserie bietet den erwartungsgemäß großzügigen Platz im Innern, wo auch die Neigung der Rücksitzlehnen verstellt werden kann. Die Taste zum Schließen der automatischen Heckklappe befindet sich an der linken Innenwand, was jemand, der sie am üblichen Platz an der Unterkante der Klappe sucht, erst mühsam lernen muss. Die Ladekante ist mit 82 Zentimetern recht hoch, geht aber für ein Fahrzeug dieses Kalibers in Ordnung und der fast ebene Stauraum von maximal 1554 Litern ist bequem nutzbar.

Wichtigste Neuerung am Antriebsstrang ist das Acht-Gang-Getriebe, bis 2012 musste der Wagen noch mit fünf automatischen Schaltstufen auskommen. Das war ein eindeutiger Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Fabrikaten, die bereits mit sechs- oder siebengängigen Schaltboxen aufwarteten. Ins Technik-Paket wurde ein TFT-Zentraldisplay geschnürt, es gibt zusätzliche Sicherheits- und Assistenzsysteme sowie ein Infotainment-System mit 8,4 Zoll großem Touchscreen-Bildschirm.

Bekanntermaßen ist für die meisten SUV, die mit Allradantrieb und umfänglicher Geländetauglichkeit ausgestattet sind, die Bordsteinkante vor dem Kindergarten das gröbste Hindernis, das sie in ihrem Autoleben zu überwinden haben. Das ist nicht nur deshalb traurig, weil sie so teure und schwere Spitzentechnik sinnlos in der Gegend herumfahren, sondern auch weil das Fahren jenseits befestigter Wege enormen Lustgewinn verspricht. Man muss es halt nur da tun, wo es erlaubt ist.

Der Grand Cherokee Overland ist mit permanentem Vierradantrieb mit Geländeuntersetzung und variabler Drehmomentverteilung ausgestattet. Zusätzlich erhöht ein elektronisches Sperrdifferenzial mit optionaler Schlupfbegrenzung die Offroad-Fähigkeiten. Die serienmäßige Luftfederung bringt eine variable Bodenfreiheit mit sich, die per Knopfdruck zwischen etwas mehr als 20 und 27 Zentimetern verändert werden kann. Beim Fahren auf höchstem, „Offroad 2″ genannten, Niveau stellt sich beim Testwagen allerdings ein unerwarteter Effekt ein. Das Überqueren von groben Wurzeln oder Rillen, das Eintauchen in Fuchs- und Schlaglöcher ist mit lautem Poltern an den Radaufhängungen verbunden. Bei abgesenktem Karosserieniveau auf nicht minder holperigen Waldwegen oder auf Kopfsteinpflaster ist diese Fahrwerksreaktion aber nicht zu beobachten. Getriebeuntersetzung für steile Anstiege, Bergabfahrhilfe für die umgekehrte Richtung, Programmwahl für wechselnde Untergrundbeschaffenheit – alles easy und bequem per Taste oder Drehknopf zu bedienen.

Eine solch leichte Bedienung haben die Konstrukteure wohl auch für den Ganghebel in Sinn gehabt, der aber durch minimalen Widerstand bei beabsichtigter Verstellung schnell mal in den Park- oder den Sportmodus rutscht. Die Korrektur nervt und kostet obendrein Sprit, wenn man erst nach einer Weile mitbekommt, dass die Gänge im „S“-Modus weiter ausgedreht werden als nötig. Das Geheimnis, warum die für eine Motorabschaltung bei kurzen Stopps ausgelegte ZF-Automatik hier keinen Start-Stopp-Betrieb ermöglicht, konnte während dieser Testfahrt nicht geklärt werden. Wer mit den Lenkrad-Paddles schaltet, muss sich darüber im Klaren sein, dass der Eco-Modus deaktiviert wird und nimmt damit weiteren unnötigen Kraftstoffverbrauch in Kauf. Das Prinzip, früh hochzuschalten und die Drehzahl damit zu senken, ließ die Automatik außerdem oft aus nicht erkennbaren Gründen außer Acht. Eine Start-Stopp-Funktion manuell herbeizuführen, in dem man z.B. den Wählhebel auf „N“ stellt und die Start-Taste zur kurzzeitigen Unterbrechung des Motorlaufs nutzt, läßt der Jeep leider auch nicht zu.

Die Insassen können sich während der Fahrt über eine sehr behagliche Atmosphäre freuen, viel feines Leder, Holz und Chrom strahlen gediegenen Komfort aus. In der Overland-Ausstattung sind die Nähte in Kontrastfarben ausgeführt, was edel aussieht, beim Testwagen mit dunklen Polstern aber dazu führte, dass sich die hellen Nähte vom Armaturenbrett störend in der Windschutzscheibe spiegelten. Die hochklassige Ausstattung umfasst auch eine Belüftungsmöglichkeit der beheizbaren Sitze, die zwar sehr komfortabel sind, aber wenig Seitenhalt bieten. Die Lenkung fühlt sich leider synthetisch und ungenau an, die Rückstellkräfte sind gering und man fühlt sich weit weg von Geschehen auf der Straße. Das Navigationssystem ist einfach und intuitiv zu bedienen, nur die Maßstabsverstellung über Touchscreen ist unpraktisch und eine Darstellung der voraussichtlichen Ankunftszeit am Zielort nicht zu sehen.

Zu den aufpreisfreien Sicherheits- und Assistenzsystemen gehören Fahrer- und Beifahrerairbag, Seitenairbags, Window-Airbags für beide Sitzreihen sowie ein Knie-Airbag auf der Fahrerseite. Ein Harman-Kardon-Soundsystem mit 825 Watt wird ebenfalls frei Haus geliefert. Die 19 Lautsprecher inklusive Subwoofer geben einen derart fetten Bass, dass man meinen könnte, es hämmert einem gleich die Türverkleidungen um die Ohren. Die Kollisionswarnung ist als Neuheit dieses Jahrgangs um eine Aufprallvermeidung ergänzt, die den Jeep Grand Cherokee automatisch abbremst, sollte der Fahrer in einer kritischen Situation nicht, nicht ausreichend oder falsch reagieren. Neu ist auch ist die Geschwindigkeitsregelanlage für extreme Steigungen und Gefälle. Sie ermöglicht es dem Fahrer, bergauf und bergab ohne Betätigung des Gas- oder Bremspedals zu kriechen und die Geschwindigkeit dabei mittels der Schaltwippen am Lenkrad schrittweise zu erhöhen oder zu reduzieren. Der Totwinkel-Assistent warnt vor Kollisionsgefahr bei Spurwechsel.

Viel dran und viel drin also, weshalb es nicht wundert, dass der Grand Cherokee in einer Disziplin keine Erfolge vorweisen kann: dem Abnehmen. Er ist sogar noch um eine Idee schwerer als der Vorgänger, alles in allem hat jede Pferdestärke rund 10 Kilogramm zu bewegen. Nur gut, dass ein bulliges Drehmoment von 570 Newtonmetern schon bei 2000 Umdrehungen in der Minute zur Verfügung steht, was temperamentvolle 8,2 Sekunden von null auf 100 km/h und eine Anhängelast von bis zu 3,5 Tonnen ermöglicht. Die Tachoanzeige von 211 km/h bei Vollgas lässt die angegebene effektive Höchstgeschwindigkeit von 202 km/h realistisch erscheinen.

Dieser Autobahnausflug kann aber wohl kaum allein dafür verantwortlich gewesen sein, dass der Testverbrauch von 9,9 Litern den Prospektwert um 2,4 Liter überschritt. Eher wohl der Kurzstreckenverkehr in der Stadt, und da hätte eine Start-Stopp-Automatik wohl noch Einiges rausholen können.

Fazit: Als lupenreiner Geländewagen mit dem Komfort einer Premium-Limousine steckt im Grand Cherokee Overland mehr, als viele Kunden nutzen werden. Tatsache bleibt, dass er ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bietet, denn für eine gleich ausgestatte M-Klasse oder einen Porsche Cayenne muss man gut und gern 20 000 Euro mehr hinblättern. Das macht es hinnehmbar, dass kleine Schwächen hier und da einen Schatten auf das Fahrvergnügen werfen. (ampnet/ab)

Daten Jeep Grand Cherokee Overland

Länge x Breite x Höhe (m): 4,82 x 1,94 x 1,78
Radstand (m): 2,92
Motor: V6-Diesel, 2987 ccm
Leistung: 184 kW / 250 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 570 Nm bei 2000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 202 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,2 Sek.
Verbrauch (Durchschnitt nach EU-Norm): 7,5 Liter
CO2-Emissionen: 198 g/km
Leergewicht / Zuladung: 2403 kg / max. 546 kg
Kofferraumvolumen (dachhoch): 782 – 1554 Liter
Max. Anhängelast: 3500 kg
Wendekreis: 11,6 m
Basispreis: 62 300 Euro

 

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